QUALITÄTSMERKMALE INKLUSIVEN MUSIKUNTERRICHTS IN DER BAYERISCHEN GRUNDSCHULE

EINE EMPIRISCHE STUDIE ZU DEN QUALITÄTSMERKMALEN INKLUSIVEN MUSIKUNTERRICHTS IN DER BAYERISCHEN GRUNDSCHULE BASIEREND AUF DER UNTERRICHTSQUALITÄTSTHEORIE VON ANDREAS HELMKE

Projektverantwortliche

Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard & Dr. Gabriele Hirte

Professur für Musikpädagogik und Musikdidaktik

Projektlaufzeit: 2014 – 2018

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Ausgangslage und Forschungsdesiderat

Im Vordergrund der musikpädagogischen Forschungsarbeit steht folgende Ausgangsfrage: Welche Qualitätsmerkmale kennzeichnen guten Musikunterricht und inwieweit gelten diese auch für inklusive Unterrichtssettings? Bislang liegen hierzu kaum Forschungsbefunde vor. Fachwissenschaftliche Studien zur methodischen Gestaltung inklusiven Musikunterrichts und damit verbunden zur Unterrichtsqualität von inklusivem Musikunterricht stellen daher seit einigen Jahren bedeutsame Forschungsdesiderate dar. Dabei ist die Umsetzung von Inklusion im Unterricht gemäß aktueller Umfragen eines der größten Herausforderungen im schulischen Alltag. So berichten zahlreiche „Brandbriefe“ von Lehrkräften und Schulleitern an die zuständigen Kultusministerien von der Überforderung durch die Umsetzung des Menschenrechts. Als Folge zeigt sich u.a., dass die positive Grundeinstellung und Bereitschaft der Lehrkräfte zur Verwirklichung der Inklusion in der Schule immer weiter sinkt. Vor allem die Unsicherheiten bei der Planung und Gestaltung inklusiven Unterrichts, aber auch die mangelnde Befriedigung des Qualitätsanspruchs an den eigenen Unterricht werden von den Lehrkräften als Hauptargumente gegen inklusives Unterrichten genannt. Auch unter den Musiklehrkräften der Grundschule nimmt die ablehnende Haltung gegenüber dem inklusiven Unterrichten, hervorgerufen durch mangelnde Unterstützung und das Gefühl der Überforderung, zu.

Gerade die Frage, wie guter Musikunterricht in der Grundschule im Allgemeinen und guter inklusiver Musikunterricht in der Grundschule im Speziellen angelegt sein müsste, erscheint von hoher Relevanz, da die Grundschule den Ort mit der größten Reichweite in der musikalischen Bildung bildet. Hier werden alle Schülerinnen und Schüler erreicht, unabhängig von den sozialen Kontexten oder dem Bildungsstand und den finanziellen Ressourcen der Eltern.

Aus diesen Gründen wandte sich das oben genannte Forschungsprojekt der bislang nur randständig thematisierten Frage nach den Qualitätsmerkmalen des Musikunterrichts in der Grundschule mit besonderem Blick auf inklusive Aspekte zu. Aufgrund der defizitären Forschungslage in diesem Bereich sah das Forschungsprojekt seine Aufgabe darin, einerseits musikpädagogische Grundlagenforschung zu leisten und andererseits die Ergebnisse zugleich für die Unterrichtspraxis nutzbar aufzubereiten.

Forschungsmethoden

Da derzeit von Seiten der Musikpädagogik noch keine Antworten auf die Frage nach den Qualitätsmerkmalen von inklusivem Musikunterricht in der Grundschule vorliegen, richtete das Forschungsprojekt in einem ersten Schritt den Blick auf die Erkenntnisse interdisziplinärer Unterrichtsforschung. Unter der grundlegenden Fragestellung, welche allgemeinen, Qualitätsmerkmale die empirische Unterrichtsforschung als Grundlage guten Unterrichts definiert, wurden zunächst aktuelle Erkenntnisse aus musikpädagogischer Sicht diskutiert. Im Anschluss wurden die fach- und schulartenübergreifenden Qualitätsmerkmale auf den Musikunterricht der Grundschule ausdifferenziert und um fachspezifische Merkmale erweitert.

Hierzu entwickelte das Forschungsprojekt auf Grundlage empirischer Zugangsweisen und in Anlehnung an die fächerübergreifenden Forschungsarbeiten zur Unterrichtsqualität von Andreas Helmke einen Unterrichtsbeobachtungsbogen speziell für den Musikunterricht der Grundschule. Der Ertrag dieses Beobachtungsinstruments liegt aus fachlicher Sicht in der dadurch entstehenden Möglichkeit, kriterienorientiert, strukturiert und datenbasiert Stärken und Schwächen des Unterrichts zu erkennen, zu reflektieren und den Musikunterricht dadurch weiterzuentwickeln. Im Praxiseinsatz kann sich infolgedessen der perspektivische Blick sowie das Handlungsrepertoire der Lehrkräfte erweitern. Zudem sensibilisiert der Beobachtungsbogen die Lehrkräfte für die gerade im Fach Musik sehr vielfältigen und unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Grundschulkinder. Durch das auf Seiten der Lehrkraft angestoßene Bewusstsein für Vielfalt kann sich die Lernwirksamkeit des Unterrichts erhöhen. Die Sichtbarmachung von Stärken hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung kann bei den Lehrkräften zu mehr Zufriedenheit und Selbstwirksamkeitsüberzeugung führen und dem Gefühl von Zweifel, Angst und Überforderung entgegenwirken.

Neben der Entwicklung dieses Beobachtungsinstrument liegt ein weiterer Gewinn des Forschungsprojekts in der Abbildung der Unterrichtsprofile von inklusivem und nicht-inklusivem Musikunterricht. Von den 120 durchgeführten Unterrichtsbeobachtungen wurden zu gleichen Teilen Profile von inklusivem und nicht-inklusivem Musikunterricht erstellt und ausgewertet. Durch die Auswertung der Unterrichtsprofile konnten erstmalig Einblicke in die Gestaltung von Musikunterricht für Regelklassen und inklusive Klassen gewonnen sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den Gestaltungsmerkmalen ermittelt werden. Zudem ermöglichte die Auswertung einen Überblick darüber, ob und inwieweit der Musikunterricht in Regelklassen und Inklusionsklassen der teilnehmenden Grundschulen tatsächlich qualitativ unterschiedlich ist und sich die Ängste und Befürchtungen der Musiklehrkräfte, inklusiver Musikunterricht würde qualitativ schlechter unterrichtet werden, bestätigen.

In einem dritten Schritt führte das Teilprojekt eine Expertenbefragung mit Musiklehrkräften der Modellregion Inklusion Kempten durch. Aus den Antworten wurden wichtige Impulse zur inklusiven Unterrichtsgestaltung und insbesondere Erkenntnisse zu den Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zum Musikunterricht in Regelklassen gewonnen; dies gilt ebenso in Bezug auf fachübergreifende und fachspezifische Qualitätsmerkmale inklusiven Musikunterrichts in der Grundschule. Außerdem wurden die Ergebnisse der Unterrichtsprofilauswertung diskutiert und die Forschungsperspektive um die Erfahrungen und Meinungen von Musiklehrkräften aus der Modellregion Inklusion Kempten erweitert.

Gesamtergebnis und nachhaltige Verwertung der Ergebnisse

Das Teilprojekt konnte in der Zusammenschau des gewonnenen Datenmaterials Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Gestaltungsmerkmalen von Musikunterricht für Regelklassen und inklusive Klassen identifizieren. Zudem zeigte die Auswertung, dass in der Teilnahme-Region ein durchaus qualitativ hochwertiger inklusiver Musikunterricht zu finden ist. Die Projektverantwortlichen sahen in diesen gewonnenen Ergebnissen daher ein großes Potential, um der Unsicherheit und dem Gefühl der Überforderung unter den Lehrkräften entgegenzuwirken. Aus diesem Grund wurden und werden die Forschungsergebnisse u.a. in Fortbildungen für Musiklehrkräfte der Grundschule kommuniziert und weiterverwertet. Außerdem wurden die Forschungsergebnisse in die von der Projektverantwortlichen abgehaltenen Seminare an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt zur Ausbildung zukünftiger Musiklehrkräfte der Grundschule implementiert, um die Studierenden für eine inklusive Gestaltung von Musikunterricht zu sensibilisieren. In diesem Rahmen entstand etwa in Zusammenarbeit mit Musikstudierenden der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, dem Caritas-Pflegeheim St. Pius Ingolstadt und einer Ganztagesklasse der Christoph-Kolumbus-Grundschule Ingolstadt ein inklusives Kooperationsprojekt, das unter 200 Bewerber/innen für den Miteinanderpreis 2019 des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales unter die vier final Nominierten aus dem Regierungsbezirk Oberbayern gewählt wurde. Im Sinne des nachhaltigen Wissenstransfers und des Service Learnings konnten die Studierenden in diesem Kooperationsprojekt das in den Seminaren vermittelte Wissen in inklusiven Unterrichtskontexten anwenden und dadurch wertvolle Impulse für ihre eigene Tätigkeit gewinnen.

Darüber hinaus wurden und werden auch in Zukunft die im Rahmen der qualitativen und quantitativen Erhebungen gewonnenen Ergebnisse von der Projektverantwortlichen für Aufsätze in einschlägigen musikpädagogischen Fachpublikationen wie auch für unterrichtspraktische Veröffentlichungen bei Schulbuchverlagen aufbereitet. Des Weiteren ist eine Weiterführung und Ausdifferenzierung der Unterrichtsbeobachtungen in die verschiedenen Lernbereiche des Musikunterrichts angedacht. Hiervon sind gewinnbringende Einsichten in die Unterschiede der Unterrichtsgestaltung in den Lernbereichen Singen und Sprechen, Spielen auf Instrumenten, Musik Hören sowie Tanzen und Bewegen zu erwarten. Diese sollen ebenfalls unterrichtspraktisch aufbereitet werden und so Lehramtsstudierenden wie auch Musiklehrkräften im aktiven Dienst gerade in der Arbeit mit Inklusionsklassen Hilfestellung bieten.

Schließlich präsentierte sich das Forschungsprojekt durch Veröffentlichungen, Vorträge und Netzwerkarbeit intensiv nach außen (u.a. Themencluster Inklusion Universität Siegen; Hochschule Neubrandenburg; Universität Wuppertal, Universität Potsdam sowie Arbeitskreis Musikpädagogik Grundschule).

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