ASPEKTE EINES INKLUSIVEN (FREMD)SPRACHENUNTERRICHTS

Projektverantwortliche

Prof. Dr. Heiner Böttger & Dr. Julia Weltgen (ehem. Dose)

Promotionsprojekt im Rahmen des Teilforschungsprojekts
„Inklusiver Englischunterricht – eine empirische Studie zum Status quo in der Sekundarstufe I“
Verantwortliche: Dr. Julia Weltgen (abgeschlossenes Promotionsprojekt)
Veröffentlichung: Dose, J. (2019) Inklusiver Englischunterricht. Eine empirische Studie zum Status quo in der Sekundarstufe I. Wiesbaden: Springer VS.

Projektlaufzeit: 2014-2018

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ZEITPLAN

(Dose 2019, S. 88)

ZUSAMMENFASSUNG

Das Forschungsprojekt als fachdidaktische Grundlagenforschung widmet sich sowohl durch eine qualitative als auch quantitative Teilstudie der Frage, wie inklusiver Englischunterricht in der Praxis aus der Perspektive von Lehrkräften umgesetzt wird. Durch Leitfadeninterviews (N = 23) und einem Fragebogen (N = 67) konnten erste Erkenntnisse zur Konzeption und Durchführung des Fremdsprachenunterrichts für Lernende mit dem Förderschwerpunkt Lernen gewonnen werden. Die Ergebnisse tragen dazu bei, inklusive fremdsprachliche Unterrichtsszenarios individueller und situationsadäquater sowie bedarfsorientiert gestalten zu können.

FORSCHUNGSSTAND

(Dose 2019, S. 20ff.)

„Studien, die die konkrete Umsetzung inklusiven Englischunterrichts im Fokus für SuS (Schülerinnen und Schüler) mit dem Förderschwerpunkt Lernen haben, stehen noch aus, wie Schmid (2017) sogar noch im Jahr 2017 beschreibt. Und auch Gebhardt & Heimlich (2018, S. 1249) halten für das Jahr 2018 fest, dass „es nahezu vollständig an einschlägigen empirischen Studien bezüglich der Anforderungen an professionelle pädagogische Fachkompetenzen in inklusiven Settings“ (ebd.) fehlt.
Es erscheint bezeichnend, dass zwar Aussagen bezüglich der Schulleistung/des Kompetenzerwerbs von SuS getroffen werden können, nicht jedoch, wie der entsprechende Unterricht, der zu diesen Ergebnissen beigetragen hat, gestaltet wurde. Schön (2016, S. 36) notiert:
„Die tatsächliche Praxis in den Klassenzimmern kann maximal versuchen, in Teilbereichen langsam an die Idee der Inklusion heranzureichen – ob und wie dies überhaupt gelingen kann, ist offen.“
Doch gerade hier muss es das Ziel sein, zu erfahren, wo genau man sich auf dem Weg zur Inklusion befindet und welche Strategien, Ansätze und Konzepte bei Lehrkräften in der Praxis angewandt werden und etabliert sind. Es sind Lehrkräfte, die tagtäglich im Unterricht stehen, ihn planen, durchführen und evaluieren und daher umfassendes Wissen zum Thema inklusiver Unterricht erworben haben. Durch sie existiert bereits eine – auf jahrelangen Erfahrungen beruhende – Expertise, die zurzeit noch völlig unausgeschöpft ist bzw. nicht beachtet wurde. Springob (2017, S. 333) hält in seiner Ergebnisdiskussion und -interpretation fest:
„Neben allen Konzepten und Theorien sind es am Ende scheinbar vor allem die LehrerInnen, die einen großen Teil dazu beitragen, dass guter Unterricht in allen Klassen realisiert wird.
Bereits 2011 betont Weide, dass durch das Fehlen der Präzisierung pädagogischer Ansätze und Konzepte inklusiven Unterrichts Lehrkräfte durch ihre tägliche Arbeit „eigeninitativ“ (ebd., S. 114) Konzepte entwickelten. So sollten nicht nur theoretische Ansätze ausgearbeitet werden, die dann für die Lehrenden zu beachten sind, sondern gerade auch wechselseitig durch die Kenntnis der unterrichtlichen Praxis entsprechende Ansätze abgeglichen und ggf. modifiziert werden. Um dies vornehmen zu können, muss Grundlagenforschung betrieben werden, die bislang im Schnellschritt der Inklusionsdebatte übergangen wurde. Gerlach (2015, S. 135) formuliert auf der Grundlage seiner Studienerkenntnisse das Forschungsdesiderat der Erhebung der subjektiven Theorien, die dem Lehrerhandeln zugrunde liegen. Doert & Nold (2015, S. 33f.) halten ebenfalls fest, dass keine Studien zu den Handlungsweisen von Lehrerinnen und Lehrern im Englischunterricht vorliegen und weisen dies klar als Forschungsaspekt aus.

(…)

Da Handlungen der Lehrenden, wie bereits anhand von Studien gezeigt, im Zusammenhang mit Einstellungen und damit internen Curricula stehen, erscheint eine Forschungsarbeit, die beide Desiderate von Gerlach (2015) und Doert & Nold (2015) abbildet und damit erstmals ein holistisches Bild von Einstellungen einerseits und Unterrichtspraxis andererseits zeichnet, sinnvoll.“

FRAGESTELLUNGEN UND ZIELSETZUNGEN

(Dose 2019, S. 21ff.)

„Aus der Darlegung des aktuellen Forschungsstands ist die Notwendigkeit der empirischen Forschung deutlich geworden. Während theoretisch fundierte Arbeiten ausgereift sind, fehlen in der Diskussion empirische Studien aus der unterrichtlichen Praxis, wie bereits zuvor anhand der Forschungsdesiderate herausgestellt wurde. Zwar kann festgehalten werden, dass empirische Arbeiten vorliegen, die Auskunft über den unterrichtlichen Alltag geben, jedoch fokussieren diese im Schwerpunkt auf die Grundschule sowie auf die Fächer Mathematik und Deutsch. Dem Englischunterricht wurde kaum bis keine Aufmerksamkeit in der empirischen Forschung zuteil, und zwar nicht nur in der Grundschule, sondern im besonderen Maße auch in der Sekundarstufe I. (…)
Ein Abgleich, inwieweit diese Konzepte in der Praxis Anwendung finden, ist zudem bislang in der empirischen Forschung für den Englischunterricht, aber auch im Allgemeinen ausgeblieben. Lehrkräfte unterrichten, wie Weide (2011) betont, seit Jahren in inklusiven Settings Englisch. Hingegen blieb ihre Perspektive in der Inklusionsforschung weitgehend ausgeklammert.
Weiter wird durch aktuelle Studien die Bedeutung von Lehrenden für den inklusiven Unterricht hervorgehoben. Sie sind für die Gestaltung von gutem Unterricht die zentralen Faktoren, wie es Springob (2017: 333) als Konklusion seiner Ergebnisse festhält, sodass ihre Perspektive als für die aktuelle Inklusionsforschung als Schlüsselkomponente herausgestellt wer-den kann. Es werden im Diskurs Erkenntnisse erforderlich, welche die unterrichtliche Praxis aus der Sicht der Lehrenden abbilden. Um einen Einblick zu erhalten, der ein möglichst breites Spektrum der Lehrkräfte abdeckt, sollte darüber hinaus der Unterricht für SuS mit einem spezifischen und anteilig hoch vertretenen
Förderschwerpunkt erforscht werden. Durch diese thematische Konkretisierung muss das Forschungsprojekt eine Grundlagenforschung darstellen, welche erstmals nach der unterrichtlichen Umsetzung fragt und damit eine erste Bestandsaufnahme – die Erhebung eines Status quo – für den Englischunterricht anstrebt.
Diesem Anspruch wird durch die Forschungsfrage Rechnung getragen:

Wie wird derzeit inklusiver Englischunterricht für SuS mit dem Förderschwerpunkt Lernen praktiziert und was sind daraus resultierende Konsequenzen?
Um die Forschungsfrage zu beantworten und damit dem Hauptziel der Arbeit, durch die Perspektive der Lehrkräfte förderschwerpunktspezifische Merkmale inklusiven Englischunterrichts zu charakterisieren, nachzukommen, ergibt sich zunächst der Bedarf, wesentliche Konzepte der Lehrenden, auf deren Grundlage ihr Englischunterricht geplant und durchgeführt wird, zu identifizieren:

1) Welche Ansätze und Konzepte liegen der Vorbereitung und Durchführung inklusiven Englischunterrichts zugrunde? (…)
Lehrende versuchen, den Leistungen der SuS entsprechende Adaptionen im Unterricht vorzunehmen und beispielsweise über Differenzierung und individuelles Lernen (Eckert 2013) den SuS entgegenzukommen. Aus diesem Grund kann die SuS-Leistung, in diesem Kontext der Lernenden mit Förderschwerpunkt Lernen, ein wesentlicher Faktor für die subjektiven Theorien der Lehrenden sein, was durch die zweite Teilleitfrage beachtet wird:

2) Inwieweit entwickeln SuS mit dem Förderschwerpunkt Lernen fremdsprachliche Kompetenzen in inklusiven Settings?
Durch die Ausführungen von Weide (2011), aber auch von Gerlach (2015) wird die Wesentlichkeit der subjektiven Theorien, auf deren Grundlage die Lehrkräfte ihren Unterricht konzipieren, betont, welche durch die tagtägliche Unterrichtserfahrung im inklusiven Klassenzimmer entwickelt werden. Wagner (2016, S. 12) beschreibt subsumierend die Forschungslage, „aus der gefolgert werden kann, dass den Theorien der Lehrkräfte eine große Rolle bei der Erklärung verschiedener Aspekte ihres Unterrichtshandelns zukommt.“ Aus diesem Grunde wird nach diesen subjektiven Konzepten und Ansätzen durch die dritte Teilleitfrage der Arbeit gefragt:3) Welche subjektiven Theorien die unterrichtlichen Konzepte, Ziele und Erwartungen betreffend herrschen beim inklusiven Englischunterricht vor?“

METHODISCHES VORGEHEN

(Dose 2019, S. 24ff.)

„(…) In Form von semi-strukturierten Leitfadeninterviews (N = 23), die im Schwerpunkt in Bayern, Schleswig-Holstein und Bremen stattfanden, wurde diese explorative Grundlagenforschung auf qualitativer Ebene betrieben. Um die Angaben der interviewten Lehrenden zu kontextualisieren, wurden außerdem Unterrichtshospitationen in verschiedenen Klassen durchgeführt. (…)
Durch die Auswertung und Interpretation der Daten war es möglich, Hypothesen hinsichtlich der Teilleitfragen zu formulieren. Um eine höhere Generalisierbarkeit der Hypothesen zu gewährleisten, war es sodann im Sinne des Mixed-Methods-Ansatzes nötig, quantitativ zu forschen. Um diesem Anspruch zu entsprechen, wurde ein quantitativer Online-Fragebogen (N = 67) erstellt, ausgewertet und dessen Ergebnisse interpretiert. In einem weiteren Schritt mussten die Erkenntnisse aus qualitativer und quantitativer Forschung im Kontext der Forschungsfragen in Beziehung gesetzt werden.“

ERGEBNISSE

Im Rahmen der Projektskizze können nur ausgewählte Erkenntnisse, die Rahmen des Promotionsprojekts gewonnen wurden, in Ansätzen beschrieben werden. Beispielsweise können Angaben zur Methodenauswahl der Lehrenden gemacht, tragende Elemente des inklusiven Englischunterrichts wie „Themenzentrierung und Basiswissen“ identifiziert sowie Wichtigkeits-bewertungen für die Kompetenzvermittlung im Fremdsprachenunterricht evaluiert werden. Weiter sind Werte und Haltungen der Lehrenden identifiziert und Hinweise zu ihren unterrichtlichen Zielen für SuS mit dem Förderschwerpunkt Lernen beschrieben.

LITERATUR

Dose, J. (2019): Inklusiver Englischunterricht. Eine empirische Studie zum Status quo in der Sekundarstufe I. Wiesbaden: Springer VS.

Doert, C. & Nold, G. (2015): Integrativer Englischunterricht – Forschungsfragen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. In: C.M. Bongartz & A. Rohde (Hrsg.) Inklusion im Englischunterricht. Frankfurt am Main: peterlang, 23–37.

Eckert, E. (2013): Individuelles Fördern. In: H. Meyer: Was ist guter Unterricht?. 9. Auflage. Berlin: Cornelsen Scriptor, 86–103.

Gebhardt, M. & Heimlich, U. (2018): Inklusion und Bildung. In: R. Tippelt & B. Schmidt-Hertha (Hrsg.) Handbuch Bildungsforschung. Wiesbaden: Springer VS, 1241–1260.

Gerlach, D. (2015): Inklusion im Fremdsprachenunterricht. Zwischen Ansprüchen und Grenzen von Heterogenität, Fachdidaktik und Unterricht(srealität). In: C. Gnutzmann, F.G. Königs, L. Küster & K. Schramm (Hrsg.) Fremdsprachen Lehren und Lernen 44(1), 123–137.

Schmid, T. (2017): Inklusiven Fremdsprachenunterricht gestalten – Von Theorie-Praxis-Netzwerken, multiprofessionellen Teams und interdisziplinärer Forschung. In: E. Burwitz-Melzer, F.G. Königs, C. Riemer & L. Schmelter (Hrsg.) Inklusion, Diversität und das Lehren und Lernen fremder Sprachen. Arbeitspapiere der 37. Frühjahreskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik). Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 285–295.

Schön, M. (2016): Perspektiven auf schulische Integration und Inklusion: Untersuchungen zur Praxis der Unterrichtsentwicklung sowie den Einstellungen und Vorstellungen Lehramtsstudierender. (Dissertation) https://publikationen.sulb.uni-saarland.de /bitstream/20.500.11880/23494/1/Dissertation_Michael_Schoen.pdf (20.12.2016).

Springob, J. (2017): Inklusiver Englischunterricht am Gymnasium. Evidenz aus der Schulpraxis im Spiegel von Spracherwerbstheorie und Fremdsprachendidaktik. (Forschungen zu Psycholinguistik und Fremdsprachendidaktik). Frankfurt am Main: peterlang.

Wagner, R. F. (2016): Unterricht aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer. Subjektive Theorien zur Unterrichtsgestaltung und ihre Veränderung durch ein Training zu neuen Unterrichtsmethoden. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Weide, V. (2011): Das Partizipationsmodell als mögliche Intervention im Umgang in gefährdeten inklusiven Prozessen (Integrationspädagogik in Forschung und Praxis). In: K. Ziemen, A. Langner, A. Köpfer & S. Erbring (Hrsg.) Inklusion – Herausforderungen, Chancen und Perspektiven. Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 111–124.

ASPEKTE EINES INKLUSIVEN (FREMD)SPRACHENUNTERRICHTS