GESCHICHTSDIDAKTISCHE LEHRERKOMPETENZEN

TRANSFERPROJEKT

Projektbeteiligte

Prof. Dr. Waltraud Schreiber
Lehrstuhl für Theorie und Didaktik der Geschichte

Projektmitarbeiterin:
Dr. Stefanie Zabold

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DIAGNOSE GESCHICHTSDIDAKTISCHER LEHRERKOMPETENZEN IN UNTERSCHIEDLICHEN PHASEN DER LEHRERAUSBILDUNG - ENTWICKLUNG VON METHODEN UND ABLEITUNGEN FÜR DIE FACHDIDAKTISCHE DISKUSSION

Die Qualität von Geschichtsunterricht hängt eng mit den geschichtsdidaktischen Kompetenzen von Geschichtslehrpersonen zusammen. Davon ist im Besonderen auszugehen, wenn es sich um historisches Lernen in inklusiven Klassen handelt. Geschichtsdidaktische Kompetenzen bilden dabei die Grundlage, um Schülerinnen und Schüler dazu befähigen zu können, sich durch die Auseinandersetzung mit Vergangenem in der jeweils eigenen Gegenwart und für die Zukunft zu orientieren (vgl. Rüsen 2008; Bräuer/Schreiber 2016; Heuer/Körber/Schreiber/Waldis 2019; Körber/Heuer/Schreiber et al. in Vorb.). Entsprechend wichtig ist es, den Fokus in der Geschichtslehreraus- und -fortbildung darauf zu richten.

 

Mit der Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Methoden zur Ermittlung dieser geschichtsdidaktischen Kompetenzen bei (angehenden) Geschichtslehrpersonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres beruflichen Werdegangs will das zum Zweck einer kumulativen Habilitation erfolgende Forschungsprojekt „Diagnose geschichtsdidaktischer Lehrerkompetenzen“ eine Forschungslücke füllen: Die Methoden sollen es ermöglichen, die Ausprägungen geschichtsdidaktischer Kompetenzen der Zielgruppe(n) zu ermitteln, um so in der Aus- und Fortbildung daran anknüpfen zu können. Damit verbunden ist z.B. die Annahme, anhand von auf Lernausgangslagen abgestimmte Interventionsmaßnahmen einen möglichst hohen Lernerfolg erzielen zu können, der sich schlussendlich auch auf die Förderung der Schülerinnen und Schüler im Geschichtsunterricht auswirkt. Dabei nimmt das Projekt 3 Aspekte in den Blick:

  1. Erhebung  der (Lern-)Ausgangslage bei Geschichtslehrkräften – qualitativ: Einsatz vor allem in der Geschichtslehrerausbildung
  2. Klärung von geschichtsdidaktischen Kompetenzausprägungen anhand des Tests „GeDiKo-T“ – quantitativ: Einsatz vor allem in der Lehrerfortbildung (aber auch in der -ausbildung)
  3. Zusammenführung von Theorie, Empirie und Pragmatik für die Professionalisierungsforschung von Geschichtslehrpersonen: Zum Mehrwert der Kenntnisse zur Lernausgangslage für die Kompetenzförderung von Lehrkräften

Der Test „GeDiKo-T“ ist entwickelt, pilotiert und wird bereits eingesetzt. Darauf wird im Folgenden eingegangen, nachdem die theoretische Grundlage für das Projekt geklärt ist. Anschließend erfolgt ein kursorischer Einblick in laufende Entwicklungen zur qualitativ ansetzenden Nutzung von Lernstandsdiagnosen. Studierende für das Lehramt Geschichte (alle Schularten) werden dabei zum Beginn ihres Studiums befragt. Mit ersten Überlegungen zum Mehrwert für die geschichtsdidaktische Professionalisierungsforschung schließt der Beitrag ab.

 

Als theoretische Grundlage des Projekts dient das Kompetenzstrukturmodell „Geschichtsdidaktische Kompetenzen (GeDiKo)“ von Körber et al. (Heuer/Körber/Schreiber/Waldis 2019; Körber/Heuer/Schreiber et al. 2020), das die Kompetenzbereiche geschichtsdidaktische Fragekompetenz, geschichtsdidaktische Methodenkompetenz, geschichtsdidaktische Orientierungskompetenz und geschichtsdidaktische Kategorisierungs- und Strukturierungskompetenz umfasst. Darüber hinaus geht die theoretisch Modellierung davon aus, dass, um einer sich ständig verändernden Welt gerecht werden zu können, professionelle Lehrende diese Kompetenzen reflektiert und (selbst-)reflexiv im Fluss der Zeit weiterentwickeln und im Sinne eines an den Schülerinnen und Schülern orientierten kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts (vgl. Körber/Schreiber/Schöner 2010) nutzen können müssen.

DER QUANTITATIV ANSETZENDENDE GEDIKO-T

Der erste in diesem Beitrag dargestellte methodischen Ansatz, um geschichtsdidaktische Kompetenzen in ihren Ausprägungen zu erfassen, ist der quantitativ ansetzende geschichtsdidaktische Kompetenztest „GeDiKo-T“. Für die Testentwicklung gibt es neben ersten geschichtsdidaktischen Studien (vgl. Kanert/Resch 2014; Nitsche/Waldis 2017; Resch 2018; Resch/Heuer/Seidenfuß, 2019; Waldis 2019) v.a. Vorbilder aus den Erziehungswissenschaften (vgl. König/Blömeke 2010; Kunter et al., 2011). Während für den Eichstätter Test bezogen auf die Items zur Strukturierungs- und Kategorisierungskompetenz eine Anlehnung am Heidelberger EKOL-Projekt von Resch et al. erfolgte, wurden die Items zu den übrigen Kompetenzbereichen komplett neu entwickelt, wobei die Kompetenzbereiche des GeDiKo-Modells berücksichtigt wurden [1]. Als „critical friends“ haben die Testentwicklung Prof. Dr. Bodo von Borries, Hamburg und Prof. Dr. Béatrice Ziegler Aarau (Ch) unterstützt. Für ein Expertenrating stellte sich das internationale HiTCH-Konsortium [2] zur Verfügung.

Den verschiedenen Schritten der Pilotierung mit Cognitive Labs und Expertenrating schloss sich eine online-Pilotierung des Gesamttests an. Letztere erfolgte bundesweit, browserbasiert, mit dem Umfragetool Limesurvey (N=236; Geschichtslehrpersonen aus der dritten Phase). Die 189 geschlossenen Items wurden mit psychometrischen Methoden auf 71 reduziert [3]: Genutzt wurde dafür erstens eine unidimensionale IRT-Analyse (Eingrenzung von signifikant positiv auf den latenten Faktor ladenden oder eine hohe Anzahl signifikanter Korrelationen mit den übrigen Testitems (über Median=7 positive Interkorrelationen) aufweisenden Items). Zweitens wurden durch exploratorische Faktoranalysen mit ein-, zwei- und drei-faktorieller Lösung weitere Items ausgeschlossen, die in keiner der drei Varianten eine signifikant positive Ladung auf einen der Faktoren aufwiesen. Auf Grundlage dieser Auswahl ergab die explorative Faktoranalyse eine plausible 2-Faktorlösung mit geringer Faktorkorrelation von r(F1, F2)=.240*.
Zur inhaltlichen Interpretation der Faktoren wurden alle signifikant positiv auf einen der Faktoren ladenden Items (F1 N=19, F2 N=28) bezüglich formaler und inhaltlicher Merkmale untersucht. Eine formale Begründung der Faktorstruktur konnte dabei ausgeschlossen werden. Inhaltlich betrachtet ließen die Beobachtungen zu den Items je Faktor folgende Zusammenfassung zu:

  • Faktor 1: Reflexion gegebener Unterrichtsplanung und -handlung
  • Faktor 2: Geschichtsdidaktische Kategorisierungskompetenz als Bezugspunkt für Unterrichtsplanung, -handlung und -reflexion

Während Faktor 2 vor allem für die im GeDiKo-Modell ausgewiesene Strukturierungs- und Kategorisierungskompetenz steht, kommen in Faktor 1 in erster Linie die weiteren prozeduralen Kompetenzbereiche zum Ausdruck. Dies macht deutlich, dass die entwickelten Items dem gesetzten Ziel, geschichtsdidaktische Kompetenzen zu messen, gerecht werden. Weitere vertiefende Berechnungen des Pilotierungs-Datensatzes stehen an.

Eine erste Implementation des Tests erfolgt im Verbundprojekt KLUG (InKLUsiv Geschichte lehren; Prof. Dr. Waltraud Schreiber, Prof. Dr. Clemens Hillenbrand, Prof. Dr. Ulrich Trautwein – Förderung durch das BMBF)[4]. Dies verdeutlich, dass der Kompetenztest vor allem die dritte Phase adressiert, also die Lehrerfortbildung. Im KLUG-Projekt wird er genutzt, um einerseits den Ausgangspunkt einer gezielten Förderung geschichtsdidaktischer Kompetenzen in der Lehrerausbildung zu ermitteln. Andererseits wird er auch für die Pre- und Posttestung eingesetzt, um anhand damit erzielter Effekte die Wirksamkeit der im Projekt entwickelten Fortbildungsmaßnahmen zu erschließen.

Durch die theoretische Fundierung anhand des GeDiKo-Modells ist der Einsatz von GeDiKo-T in all den Feldern möglich, die geschichtsdidaktisches Handeln erfordern. Ein weiteres Beispiel wäre zu Beginn der zweiten Phase der Lehrerausbildung: Hier werden Referendarinnen und Referendare von verschiedenen Universitäten kommend in gemeinsamen Seminaren zusammengefasst. Eine Klärung und Berücksichtigung deren Lernausgangslage nach Beendigung der universitären Ausbildung und zum Beginn der Seminarzeit dürfte sich erwartungsgemäß positiv auf deren weitere geschichtsdidaktische Kompetenzentwicklung auswirken.

QUALITATIV ANSETZENDE LERNSTANDSDIAGNOSEN

Mit diesen Methoden werden im Habilitationsprojekt die Lernausgangslagen bei Lehramtsstudierenden mit dem Fach Geschichte (alle Lehrämter) am Beginn ihres Studiums untersucht. Die konkreten Erhebungsmethoden werden seit Beginn 2020 entwickelt und erste Überlegungen zu möglichst effizienten qualitativen Auswertungsmethoden – zum Beispiel inhaltsanalytischen – angestellt. Für die Datenerhebungen wird derzeit mit dem Konzipieren von Mindmaps, dem freien Schreiben zu ausgewählten Konzepten oder halboffene Aufgaben, die Möglichkeiten des Ankreuzens in Verbindung mit freien Formulierungen bieten, experimentiert. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal für die zu wählenden Erhebungs- und Auswertungsmethoden ist, dass sie Erkenntnisse liefern müssen, die Eingang in die Realisierung von Lehrveranstaltungen finden können. Die Methoden müssen im Gesamt dabei so ausgerichtet sein, dass einerseits gruppenspezifische, aber auch individuelle Lernausgangslagen eruiert werden können. Die Seminargestaltung ist im Sinne eines anzustrebenden maximalen Lernerfolgs entsprechend anzupassen. Eine zentrale Rolle werden dabei sicherlich auch Möglichkeiten der Differenzierung und Individualisierung spielen.

Der konkrete Einsatz der Lernstandsdiagnose wird im Modul „Einführung in die Prinzipien und Methoden des historischen Denkens“ im Wintersemester 2020/ 2021 an der KU Eichstätt-Ingolstadt erfolgen. Dieses Modul bietet Studierenden im 1. Semester erstmals die Möglichkeit, sich (auch schulartbezogen) mit geschichtsdidaktischen (und geschichtstheoretischen) Grundlagen zu befassen. In mindestens einer Hinsicht ist Differenzierung im Modul bereits angelegt, da zur vorgesehenen Vorlesung schulartbezogene Tutorien gruppiert sind. Das für das Modul anzufertigende Portfolio wird am Ende des Semesters Aufschluss über die erzielten Kompetenzausprägungen zulassen.

 

Der Mehrwert für die Professionalisierung von Geschichtslehrpersonen besteht darin, auf gesicherter theoretischer Basis empirische (qualitative wie quantitative) Methoden für die Pragmatik der Lehrerausbildung nutzbar zu machen, um die geschichtsdidaktische Kompetenzentwicklung bei (angehenden) Geschichtslehrpersonen zu optimieren. In (empirisch-)methodischer Hinsicht werden konkrete Aufgaben und Auswertungsmöglichkeiten erarbeitet, aber auch Hinweise auf struktureller Ebene. Diese betreffen zum Beispiel Aufgabenstrukturen oder geeignete Themen für Aufgaben. Im Blick ist dabei gleichermaßen die empirische Perspektive, wie deren pragmatische Implementation.

In theoretischer Hinsicht geht es um die Optimierung der Modellierungen geschichtsdidaktischer Kompetenzen, insbesondere um Hinweise auf deren Graduierung. Dafür lässt sich beispielsweise der Vergleich von Daten zu Beginn der Lehrerausbildung, zu Beginn und am Ende von Maßnahmen der Lehrerfortbildung verwenden.

[1] Unter der Federführung von Stefanie Zabold und Waltraud Schreiber gehören zum Eichstätter Geschichtslehrerkompetenztest-Team Matthias Hirsch, Tobias Langguth, David Naaß, Ina Obermeyer, Susanne Sachenbacher, Robert Trautmannsberger und Michael Werner.

[2] Vgl. zum HiTCH-Projekt und gleichnamigen Konsortium die Homepage: http://hitch-projekt.de/ (aufgerufen am 09.03.2020).

[3] Die Auswertung der Daten erfolgte in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Ulrich Trautwein und Dr. Wolfgang Wagner (Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, Tübingen).

[4| Vgl. zum KLUG-Projekt die Projekthomepage: https://uol.de/sonderpaedagogik/forschung-und-projekte/paedagogik-bei-beeintraechtigungen-des-lernens/ (aufgerufen am 09.03.2020).

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