DIMIL- DIGITALE MODULE FÜR INKLUSIVES LERNEN

- EIN DIGITALES LEHR-/LERNMITTEL FÜR DEN INKLUSIVEN FACHUNTERRICHT MIT ADAPTIVEN UNTERSTÜTZUNGSANGEBOTENFÜR LEHRKRÄFTE UND LERNENDE

Projektverantwortliche

Prof. Dr. Waltraud Schreiber & Robert Trautmannsberger

Lehrstuhl für Theorie und Didaktik der Geschichte

Projektlaufzeit: 2014-2020

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DAS KONZEPT

DIMIL ist ein online basiertes Lehr- und Lernmittel, das explizit für den Einsatz in stark heterogenen Schulklassen konzipiert ist. In solchen Kontexten können erhebliche Belastungen für Lehrkräfte entstehen. Etwa durch einen erhöhten Mehraufwand bei der Auswahl und Aufbereitung geeigneten Materials oder durch die Evaluation der Unterstützungsbedarfe einzelner Schüler*innen. Daher will DIMIL hier Hilfestellung leisten, um Lehrenden die Durchführung von qualitativ hochwertigem Fachunterricht, auch in beanspruchenden Settings zu erleichtern. Dies geschieht sowohl auf technischer, pädagogischer wie vor allem auf fachdidaktischer Ebene.

TECHNISCHE UMSETZUNG

Technisch basiert die DIMIL-Plattform auf einer WordPress Installation. WordPress ist ein kostenloses Content Management System (CMS), das ursprünglich für Weblogs (Blogs) entwickelt wurde. Hierdurch ergeben sich diverse Vorteile gegenüber einer typischen App-Lösung, da DIMIL auf jedem internetfähi-gen Gerät und mit jedem beliebigen Internetbrowser anwendbar ist. Besondere Rücksicht auf unter-schiedliche Betriebssysteme oder gar verschiedene Versionen desselben Betriebssystems muss daher nicht genommen werden.
WordPress erlaubt strukturelle Anpassungen durch sogenannte Plugins, womit Programmbausteine gemeint sind, die sozusagen an die technische Grundausstattung angedockt werden. Durch diese Erwei-terungen ist die Nutzung als Lernplattform für inklusives Lernen problemlos möglich. Dabei kann auf bereits existierende Plugins einer großen Community zurückgegriffen werden. Zusätzlich haben wir auch eigene Plugins entwickelt.
Die Darstellung und das Arrangement der Inhalte, wird responsiv gesteuert (Responsive Design). Das heißt, DIMIL erkennt selbstständig, ob es auf einem Smartphone oder einem Desktop-PC genutzt wird und passt die Darstellung automatisch an. Die Adaptierung ist so gestaltet, dass von Seiten der Autoren kein zusätzlicher Aufwand bei der Gestaltung von Inhalten für mobile Varianten betrieben werden muss. Derselbe Inhalt funktioniert auf allen Geräten und wird nach Bedarf leicht unterschiedlich formatiert, um an verschiedene Bildschirmgrößen angepasst zu sein. Dies erleichtert es, im Sinne eines BYOD-Ansatzes (Bring your own device), auch auf mögliche Engpässe in der IT-Ausstattung einzelner Schulen einzugehen.
Durch Selfhosting in unserem Universitäts-Rechenzentrum sind alle anfallenden Nutzerdaten in einem geschützten Webspace hinterlegt. Diese Zugriffsbeschränkung genügt damit sowohl wissenschaftlichen als auch datenschutzrechtlichen Ansprüchen.

EMPIRISCHE BEGLEITUNG

Die Entwicklung von DIMIL wurde dabei von Anfang an empirisch begleitet, um die Module auch im Praxiskontext zu erproben und in deduktiv-induktivem Abgleich zu optimieren. Hierfür wurden sowohl Pilotierungen verschiedener Versionen in Schulklassen als auch sogenannte Cognitive Labs mit einzelnen Schüler*innen durchgeführt. Während bei den Klassenerprobungen die Interaktion der Proband*innen mit dem Material im Fokus stand, um so grundlegende Erkenntnisse über die Auseinandersetzung mit den Inhalten, sowie der Praxistauglichkeit der Plattform zu erlangen, wurde im Cognitive Lab die Passung einzelner Aufgabenstellungen mit dem zur Verfügung gestellten Material überprüft und die Reaktion der Schüler*innen auf unsere Materialauswahl und Aufgabenstellung untersucht.

GESCHICHTSDIDAKTISCHE KONZEPTION

Das DIMIL-Konzept wird exemplarisch am Thema des Verhältnisses zwischen „Mensch und Natur“ verdeutlicht. Dabei soll in historischer Wendung diskutiert werden, inwiefern der Mensch die Natur oder die Natur den Menschen beherrscht. Inhaltlich wird dies durch den diachronen historischen Vergleich zwischen verschiedenen Kulturen im Umgang mit dem Lebensraum Steppe grundgelegt. Es geht also darum, das Mensch-Natur-Verhältnis zu unterschiedlichen historische Zeiten und bezogen auf unterschiedliche Regionen miteinander zu vergleichen und auf dieser Grundlage Orientierung auch für Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Dazu werden das Leben der Mongolen in der zentralasiatischen Steppe des 13. Jahrhunderts, das Leben der „Prärieindianer“ in den amerikanischen Great Plains des 19. Jahrhunderts und das Leben US-amerikanischer Farmer in der „Dust Bowl“ Katastrophe der 1930er Jahre gegenübergestellt. Das fachlich-historische Ziel ist, Fragen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Umgang mit natürlichen Voraussetzungen in vergleichbaren Habitaten zu erschließen. Um die Orientierungsrelevanz herauszuarbeiten, wird dabei einerseits kategorial auf Grundbedürfnisse menschlicher Existenz eingegangen und andererseits verdeutlicht, wie unterschiedlich sich der Umgang mit Natur über Zeit und Raum hinweg gestalten kann.

INKLUSIVER ANSATZ

Durch die Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtete sich Deutschland im Jahr 2009 dazu die Zieldimension gesamtgesellschaftlicher Inklusion in allen Lebensbereichen anzustreben. Das trifft selbstverständlich auch auf den Bereich der Bildung zu. Es geht hier darum, die Teilhabe aller am gesellschaftlich-kulturellen Leben zu ermöglichen. Für Schule bedeutet das, alle Schüler*innen möglichst optimal auf die Herausforderungen mündiger Bürgerschaft und eines individuell zufriedenen Lebens vorzubereiten. Der Anspruch an die Fachdidaktik lautet dabei, fachliches, auf historische Orientierung zielendes Lernen auch unter Bedingungen erhöhter Heterogenität zu ermöglichen. Dies bedeutet auch, Lernende, die mit Handicaps zu leben haben, nicht nur zu beschäftigen, sondern tatsächlich zu fördern.

DIMIL unterstützt Lehrkräfte bei der Bewältigung dieser Herausforderung durch ein neuartiges Zusammenspiel von Digitalität, fachlichem Lernen und geschichtsdidaktischen Konzepten. Inklusives Lehren und Lernen wird unterstützt, indem kognitiv aktivierende Lernangebote gemacht, Freiräume für konstruktive Unterstützung geschaffen und Schülern mit Lernschwierigkeiten, ebenso wie Schülern mit hoher Leistungsfähigkeit passgenaue Angebote gemacht werden.

RESPONSE TO INTERVENTION (RTI)

Methodisch und theoretisch orientieren wir uns dabei am Response to Intervention Modell (RTI). Der Kerngedanke ist, Schüler*innen nach ihren individuellen Bedarfen die jeweils passende Förderung anzubieten. Erreicht wird das über Individualisierung bei der Auswahl von Aufgaben, Differenzierung beim Materialangebot und die Anpassung der Förderzeit, die eine Lehrkraft mit ihren Schüler*innen verbringt.

Den Ausgangspunkt, die erste Intervention, bildet dabei die Stufe RTI 1, die nach hohen fachlichen, geschichtsdidaktischen und pädagogischen Standards Fragestellungen, Aufgaben und Materialien anbietet, wie sie auch in einem „regulären Klassenunterricht“ genutzt werden könnten. Zeigt die „Response“ der Schüler*innen auf dieses Angebot, dass es für Einzelne eine zu große Herausforderung oder eine Unterforderung darstellt, erhalten sie differenzierende Unterstützung in Stufe RTI 2, die durch Unterstützung der Lehrkraft weiter intensiviert werden kann. Die Aufgabenstellung bleibt erhalten, grundsätzlich auch das Materialangebot, wobei bei der Differenzierung „nach unten“ Vereinfachungen und Verschlankungen am Corpus vorgenommen werden, bei der Differenzierung „nach oben“ Zusatzangebote zu erweiternden Themen gemacht werden.

Ein Teil der Schülerinnen und Schüler kann trotz dieser erneuten Intervention durch die Fördermaßnahmen das Ziel, sich eigenständig mit dem Leitthema auseinander zu setzen, nicht erreichen. Für diese Gruppen wird – als weitere Intervention – ein eigener Zugang mit geringerer Komplexität angeboten. Den Ausgangspunkt stellt dafür nicht mehr das Grundmaterial aus der RTI 1 Stufe dar. Vielmehr werden Fragestellung und Materialauswahl für diese Gruppe neu konzipiert. Die Herausforderung in der Gestaltung der Ebene RTI3 ist es, das Angebot so aufzubereiten, dass die Lernenden damit in einer Weise arbeiten können in der ihre Ergebnisse auch zum Lernerfolg der ganzen Klasse beitragen. Mit dieser auf individuelle Förderung ausgerichteten Gestaltung des Lernangebots verbunden ist, dass der Lehrkraft damit zugleich die Möglichkeit einer individuellen Einzelförderung eröffnet wird.

Dabei sind die Niveaus, auf denen die Schüler*innen lernen können, in beide Richtungen durchlässig und dynamisch. Kommen Lernende mit einem Angebotsniveau gut zurecht oder zeigen sie Potenzial für mehr eigenverantwortliches Lernen, können sie auch hochgestuft werden, also je nach Performanz wieder in RTI 1, dem Klassenunterricht, „ankommen“.

ADAPTIERBARKEIT UND KI-GESTÜTZTE ADAPTIVITÄT

Um Lehrkräfte bei der Einschätzung der Förderbedarfe der Schüler*innen zu unterstützen, setzt DIMIL auf adaptive Konzepte. In einem ersten Schritt ist damit gemeint, dass sie ihren Schüler*innen helfen können, auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Aufgaben und Schwierigkeitsniveaus zu wählen.

Dies beinhaltet auch die Möglichkeit, Schüler*innen als Ausgangspunkt für ihr Lernen die für sie passenden RTI-Ebenen anzubieten. Die schwereren oder leichteren Aufgabenstellungen/ Materialangebote können ausgeblendet werden. Die Lernenden selbst (oder stellvertretend die Lehrkraft) können die Einstufung im Laufe der Arbeitsphase verändern und anspruchsvollere oder einfachere Aufgabenstellungen und Materialien wählen. Auf diese Weise wird ein Zuschnitt der Inhalte auf die Leistungsfähigkeit und Förderbedürfnisse der Lernenden ermöglicht, um Über- oder Unterforderung zu vermeiden und individuell angemessene Förderung zu unterstützen.

Zukünftig sollen in einem weiteren Schritt Auswahlentscheidungen sowohl automatisiert unterstützt als auch getroffen werden. Hierfür sollen Aspekte und Konzepte zur Nutzung künstlicher Intelligenz, sowie von Algorithmen aus der Bildungsinformatik zum Einsatz kommen. Dadurch werden Lehrkräfte noch weiter entlastet und erhalten Freiräume für die Individualförderung. Denn im Gegensatz zu herkömmlichem Unterricht, kann es Lehrkräften digital ermöglicht werden, Feedback über die Leistung ihrer Schüler*innen sozusagen live abzurufen und beispielsweise in Bezug auf Materialauswahl oder Aufgabenstellung unmittelbar zu intervenieren.

Solche inhaltlich strukturellen Adaptionen könnten aber auch vollautomatisiert erfolgen. Selbstverständlich würden automatische Auswahlentscheidungen dabei durch die Lehrkraft immer manuell revidierbar sein, um deren Know-How nicht zu übergehen. Insgesamt soll so ein möglichst selbstständiges, forschendes Arbeiten der Lernenden ermöglicht werden, während individuelle Unterstützungsbedarfe zeitnah erkannt und bedient werden können.

LITERATUR

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Bräuer, Benjamin; Schreiber, Waltraud (2016): Orientierungsgelegenheiten – Theoriebildung für gemeinsames Geschichtslernen in inklusiven Klassen. In: Kühberger, Christoph; Schneider, Ro-bert (Hrsg.): Inklusion im Geschichtsunterricht: zur Bedeutung geschichtsdidaktischer und son-derpädagogischer Fragen im Kontext inklusiven Unterrichts. – Bad Heilbrunn: Klinkhardt. – S. 85-102.>

Melzer, Conny; Hillenbrand, Clemens; Sprenger, David; Hennemann, Thomas (2015): Aufgaben von Lehrkräften in inklusiven Bildungssystemen. Review internationaler Studien. In: Erziehungs-wissenschaft 26 (51), S. 61–80.

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Schreiber, Waltraud (2020): Narrativität und Konstruktcharakter. In: Sebastian Barsch, Christoph Kühberger und Martin Lücke (Hg.): Diversität im Geschichtsunterricht. Inklusive Geschichtsdidaktik. Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag. S.213-222.

Schreiber, Waltraud; Sochatzy, Florian; Ventzke, Marcus (2014): Zwischen Behauptung, Intention und Evidenz. Zur Notwendigkeit die Entwicklung von und die Arbeit mit elektronischen Schulbü-chern empirisch zu begleiten. In: Michael Schuhen und Manuel Froitzheim (Hg.): Das elektroni-sche Schulbuch. Fachdidakti-sche Anforderungen und Ideen treffen auf Lösungsvorschläge der Informatik. Münster: Lit Verlag, S. 71–98.

Schreiber, Waltraud; Trautmannsberger, Robert (2018): Empowerment und Partizipation als Zie-le inklusiven Fachunterrichts: digitale Module zur Unterstützung von Lehrkräften und Schülerin-nen und Schülern. In: Bartosch, Ulrich; Schreiber, Waltraud; Thomas, Joachim (Hg.): Inklusives Leben und Lernen in der Schule: Berichte aus dem Forschungsverbund zu Inklusion an der Ka-tholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. – Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. – S. 207-244.

Schreiber, Waltraud; Wagner, Wolfgang; Trautwein, Ulrich; Brefeld, Ulf (2019): Zur empirischen Beforschung des mBooks Belgien: die Chancen eines Methodenmix. In: Kühberger, Christoph; Bramann, Christoph; Bernhard, Roland (Hg.): Das Geschichtsschulbuch: Lehren – Lernen – For-schen. – Münster: Waxmann. S. 57-80. (Salzburger Beiträge zur Lehrer/innen/bildung; 6).

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Winiwarter, Verena; Knoll, Martin (2007): Umweltgeschichte. Köln: Böhlau UTB.

Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags Abteilung 8 (2018): Bring your own device. Aspekte zum Einsatz im schulischen Unterricht. Abgerufen von: https://www.bundestag.de/resource/blob/563298/56d7038d410a76945916938c820d8eb1/WD-8-043-18-pdf-data.pdf. [15.05.2020]

DIMIL- DIGITALE MODULE FÜR INKLUSIVES LERNEN